BGH-Urteil

Zur Wirksamkeit von Geschäftsführer-Anstellungs­verträgen und sonstigen Vergütungs­vereinbarungen

A. Sachverhalt
Im streitigen Fall wurde durch die Gesellschafterversammlung einer GmbH ordnungsgemäß ein Angestellter einer anderen GmbH zum Geschäftsführer berufen. Im Rahmen der Vergütung vereinbarte der bisherige Geschäftsführer mit der stellenden GmbH, dass diese das Gehalt des Entliehenen fortbezahlt und entsprechend dem jeweiligen Tätigkeitsausfall bei der stellenden GmbH durch die entleihende Gesellschaft Aufwandsentschädigung geleistet wird.

B. Problemaufriss
Es war in der vorstehenden Entscheidung dem BGH also darum zu tun, zu klären, in wessen Kompetenzbereich eine Zahlungsvereinbarung betreffend Geschäftsführertätigkeiten für eine GmbH fällt, wenn der Fremd-Geschäftsführer aus den Diensten eines anderen Dienstherren „entliehen“ wird, dabei aber keine direkte Vergütung durch die beanspruchende GmbH erhält, sondern diese lediglich durch Umlage den eigentlichen Dienstherren entschädigt; dieser bezahlt dem entliehenen Dienstverpflichteten dessen eigentliche Vergütung vollständig fort.

Problematisch ist hierbei, dass damit zwar, aber lediglich mittelbar eine Vergütungsregelung, für die grundsätzlich die Gesellschafterversammlung zuständig ist (Annexkompetenz aus § 46 Nr. 5 GmbHG¹), für den (neuen) Geschäftsführer durch den ursprünglichen Geschäftsführer getroffen wurde. Der im konkreten Fall die Vereinbarung abschließende Geschäftsführer argumentierte damit, keine echte Vergütungsvereinbarung getroffen zu haben, sondern lediglich im Rahmen des operativen Geschäfts eine Aufwandsentschädigung mit einem Geschäftspartner vereinbart zu haben. Dies sei nicht von § 46 Nr. 5 GmbHG erfasst, sondern von der organschaftlichen Kompetenz des Geschäftsführers gem. § 35 Abs.1 GmbHG gedeckt.

C. Die Lösung des BGH
Gleich dieser Mittelbarkeit sieht der BGH – im Licht seiner bisherigen Entscheidungspraxis konsequent – die Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung praeter verba sed secundum rationem legis² sogar hierauf ausgeweitet. Die Vergütungsvereinbarung erklärte er für unwirksam.

D. Die konkrete Bedeutung der Entscheidung

  1. Geschäftsführern kann – ohne Ausnahme – keine Kompetenzen im Bereich Anstellung und Vergütung von (weiteren) Geschäftsführern oder sich selbst übertragen werden. Auch entferntere Konnexität („übers Eck“) schließt eine rechtswirksame Kompetenzzuweisung aus. Die Satzungsfreiheit der GmbH findet hierin ihre Grenze, damit die zweigliedrige Organisationsstruktur der GmbH gewahrt bleibt sowie Gesellschaftsvermögen geschützt wird. Eine notwendige, logische Ausnahme bildet nur die 1-Personen GmbH.
  2. Je nach gesellschafts- und anstellungsvertraglicher Ausgestaltung sind unzählige unwirksame Geschäftsführerbestellungen und Vergütungsvereinbarungen zu besorgen. Allein das im Fall gegenständliche „Leihen eines Managers“ (etwa zur Krisensanierung oder Arbeitsentlastung in Stoßzeiten) ist gängige Praxis im operativen Geschäft kleiner, mittlerer, aber auch großer GmbHs. Regelmäßig wird dabei den Geschäftsführern großer Handlungsspielraum zu Teil, der nicht von den GmbH-Satzungen bzw. unter Berücksichtigung dieses Urteils dem GmbHG gedeckt wird.
  3. In der Folge kann die entleihende GmbH von dem stellenden Dienstherren das gezahlte „Entgelt“ wegen anfänglichem Nichtbestehen der Zahlungsverpflichtung vollständig herausverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Dies ist – wie auch der BGH betont – nur bei nachweisbar positiver Kenntnis von der Nichtschuld des Zahlers ausgeschlossen (§ 814 BGB). Dieser Beweis wird, selbst bei sicherem Vorliegen positiver Kenntnis, überwiegend nicht gelingen.
  4. Für die Aktiengesellschaften hat die Entscheidung keine Bedeutung. Aufgrund der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) kommt eine Kompetenzzuweisung an den Vorstand nicht in Betracht (§ 84 Abs. 1 AktG). Handelt der Vorstand dem zuwider, kommt bei Schäden seine persönliche Haftung in Betracht (§ 93 Abs. 2 AktG).
  5. Für die Kapitalgesellschaft & Co ergeben sich keine eigenständigen Neuerungen. Für die Organisations- und Verwaltungsstruktur der Komplementär-GmbH gilt kein Besonderes, der personengesellschaftsrechtliche Teil ist als solcher im gewohnten Umfang gestaltungsoffen. Es ist aber, weil Gesellschafter der Komplementär-GmbH und Kommanditgesellschafter, sowie Geschäftsführer oft mindestens teilweise personenidentisch sind, gerade hier das Fehlerpotenzial besonders hoch und ihre Analyse außergewöhnlich komplex.

E. Die Folgen für die Unternehmenspraxis
Nolens volens resultiert aus dieser Grundsatzentscheidung, dass auch Nuancen im Bereich der Geschäftsführerbestellung diese, gleichsam aber etwaige Vergütungsvereinbarungen, unwirksam machen können. Gerade in personal strukturierten GmbHs, insbesondere aber den rechtlich komplexen „& Co“-Personengesellschaften sowie Familiengesellschaften bzw. -konzernen fielen und fallen mannigfache Fehler auf, sowohl regelmäßig aufgrund unklarer Funktionsdefinitionen bei Vornahme rechtsgeschäftlicher Erklärungshandlungen, als auch oft wegen bloß unsauberer (und damit unwirksamer) Beschlussformulierung. Die Folge sind deshalb unwirksame Vertragsschlüsse und ausufernde Rückforderungsansprüche in oft sechs- bis achtstelliger Höhe. Überbordend kommt hinzu, dass entsprechende Ansprüche frühestens seit Urteilsspruch, mithin nicht vor dem 31.12.2022 verjähren. Es steht daher zu befürchten, dass diese junge und (bislang!) wenig veröffentlichte Entscheidung noch viral geht und Rechtsstreitigkeiten diesbezüglich Legion werden.

Eine aktuelle Parallelproblematik bezeichnen mündlich oder nur einseitig schriftlich geschlossene Anstellungs- und Vergütungsverträge von Geschäftsführern, welche vormals als Arbeitnehmer der Gesellschaft tätig waren – insoweit lebt nämlich nach Abberufung und Auflösung des Anstellungsvertrages oft der ursprüngliche Arbeitsvertrag wieder auf. Horrende Abfindungsforderungen sind gängiges Resultat in Entlassungsstreit und Insolvenz. In Zeiten des Gesellschafter- und Geschäftsführerstreits sowie von Insolvenzverfahren drohen gravierende Konsequenzen.

Der Syllogismus gesellschaftsrechtlicher Störfallvorsorge gebietet es, entsprechende Satzungsregelungen, Gesellschafterbeschlüsse und Anstellungsverträge einer Revision zu unterziehen. Erforderlichenfalls sind, um den schwerwiegenden Risiken vorzubeugen, sorgfältige Heilungsbeschlüsse vorzubereiten und zu fassen. Fürderhin sind – kommt man etwa „zu spät“ – handelnde Geschäftsführer eventuell in Haftung zu nehmen.

Das Gesellschaftsrecht markiert derzeit einen sukzessiven Paradigmenwechsel – nicht zu Letzt unter dem Einfluss des europäischen Rechts finden Rechtsfragen Neubeurteilungen mit teils zu vormaliger Entscheidungspraxis konträren Ergebnissen. Insbesondere der mittelbare Einfluss der europäischen Grundfreiheiten kreiert ein monumentales Spannungsfeld aus Arbeitnehmer- und Angestelltenrechten einerseits, Kontroll- und Einflussrechten der Anteilseigner andererseits, darüber hinaus gesellschaftsrechtlicher Niederlassungsrechtsbestimmungen. Um gegebenenfalls existenzvernichtenden Folgen entgegenzustehen, sollten bestehende Regelungen und Praktiken untersucht und gegebenenfalls angepasst beziehungsweise rückwirkend korrigiert werden.

F. Der Ausweg
Das Handlungsfeld von Gesellschaftern, Geschäftsführern und Gesellschaften, um diese Missstände aufzudecken und zu beseitigen, ist stark limitiert. Nichtsdestoweniger besteht ein Ausweg: Die fehlerhaften Anstellungs- bzw. Vergütungsvereinbarungen sind mangels Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nicht nichtig (§ 134 BGB). Sie sind aber schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Zur Heilung solcher Vereinbarungen ist daher ein nachträglicher, genehmigender Gesellschafterbeschluss erforderlich (§§ 6 Abs. 3, 46 Nr. 5 GmbHG).

G. Zusammenfassung
GmbHs und GmbH & Co-Gesellschaften ist zu raten, ihre Satzungen und Geschäftsführer-Anstellungsverträge sorgfältig dahin zu untersuchen, ob in diesem Bereich eventuelle Wirksamkeitsmängel vorliegen. Gegebenenfalls sind sorgsam entsprechend heilende Gesellschafterbeschlüsse zu entwerfen und zu fassen. Es ist hierbei größte Sorgfalt geboten, da insbesondere unter dem Eindruck des neuen Urteils, Rückforderungsansprüche in aller Regel erst jetzt bekannt werden und damit nicht verjährt sind (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der baldigst mögliche Verjährungstermin solcher Ansprüche ist der 31.12.2022 (§§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 BGB). Im Zweifel können daher aufgrund unwirksamer Vergütungs- bzw. Anstellungsvereinbarungen jahrelange Zahlungen in insgesamt oft sechs- bis achtstelliger Höhe zurückverlangt werden. Mithin ist von größter Bedeutung, dass der zu fassende Gesellschafterbeschluss exakt den jeweiligen rechtsproblematischen Punkt trifft und damit seine neuralgische Rückwirkung auf den Vertragsschluss entfalten kann. Nur so können Rückforderungen in kaum überschaubarer Höhe vermieden werden.

Sollte man dennoch „zu spät“ kommen, ist an eine Haftung des Geschäftsführers gem. § 43 Abs. 2 GmbHG zu denken.

Gerne beraten wir Sie in diesem Prozess, damit die für den wirtschaftlichen und zukunftsorientierten Geschäftsbetrieb erforderliche Rechtswirksamkeit gesellschaftsinterner Vertragsbeziehungen garantiert ist.


¹ Unter einer Annexkompetenz versteht man die Ausdehnung einer Grundkompetenz auf einen an sich kompetenzfremden (ggf. spezielleren) Bereich, weil dieser untrennbar oder natürlich mit der Grundkompetenz zusammenhängt.

² = zwar nicht von dem Wortlaut der Vorschrift gedeckt, so aber doch von Sinn und Zweck der Regelung erfasst.